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Bettina Neresheimer: Sanktionen und Embargos sind derzeit ein brandaktuelles Thema. Die FINMA hat dies kürzlich auch in ihren Risikomonitor aufgenommen. Warum stellt dieses Thema ein so grosses Risiko für Finanzinstitute dar Mathias?
Mathias Müller: Sanktionen und Embargos haben erhebliche Auswirkungen auf Finanzinstitute. Verstösse können hohe Strafen, rechtliche Konsequenzen und Reputationsschäden nach sich ziehen. Die geopolitische Lage, insbesondere der Krieg in der Ukraine, hat die Zahl und Komplexität internationaler Sanktionen stark erhöht. Finanzinstitute müssen sowohl Schweizer Vorgaben einhalten als auch internationale Regelungen wie die der EU und des OFAC beachten, deren extraterritoriale Reichweite zusätzliche Herausforderungen schafft. Besonders schwierig ist die Überwachung verschachtelter Strukturen und indirekter Transaktionen. Umgehungsversuche, etwa durch verschleierte Handelsrouten oder Kryptowährungen, erfordern ausgefeilte Compliance-Systeme und qualifiziertes Personal. Längere Sanktionsdauern erhöhen das Risiko von Umgehungsstrategien weiter.
Bettina Neresheimer: Welche Konsequenzen drohen Finanzinstituten, wenn sie nationale oder internationale Sanktionen verletzen?
Mathias Müller: Die Folgen können schwerwiegend sein. Neben rechtlichen Konsequenzen wie Bussen und strafrechtlichen Verfahren drohen aufsichtsrechtliche Massnahmen bis hin zum Lizenzentzug. Während international, insbesondere in den USA, seit Jahren exorbitant hohe Bussen verhängt werden, sind vergleichbare Strafen in der Schweiz bisher selten. Doch die FINMA hat Sanktionen auf ihren Risikomonitor gesetzt und bereits zahlreiche Vor-Ort-Kontrollen durchgeführt, was künftig auf eine strengere Durchsetzung und mehr Verfahren hindeuten kann. Reputationsrisiken sind ebenfalls erheblich, da Verstösse das Vertrauen von Kunden und Investoren nachhaltig schädigen können. In Extremfällen drohen existenzbedrohende Konsequenzen wie der Verlust des Zugangs zu internationalen Märkten (insb. USA).
«Die Schweiz orientiert sich bei ihren Sanktionen in der Regel an Beschlüssen des UN-Sicherheitsrats oder übernimmt Massnahmen der EU, um keine Umgehungsmöglichkeiten zu schaffen.»
Bettina Neresheimer: Wie unterscheiden sich die Schweizer Sanktionen von den Regelungen der EU oder der USA, und welche besonderen Herausforderungen ergeben sich daraus für Finanzinstitute?
Mathias Müller: Die Schweiz orientiert sich bei ihren Sanktionen in der Regel an Beschlüssen des UN-Sicherheitsrats oder übernimmt Massnahmen der EU, um keine Umgehungsmöglichkeiten zu schaffen. Dennoch bleibt die Schweiz aufgrund ihrer neutralitätsgeprägten Aussenpolitik oft etwas zurückhaltender als andere Länder. Die USA hingegen verfolgen einen aggressiveren Ansatz, der extraterritorial wirkt – das bedeutet, dass auch Nicht-US-Institute betroffen sein können, wenn sie beispielsweise Zahlungen in US-Dollar abwickeln oder Geschäfte mit US-Personen haben. Dies macht die OFAC-Regeln besonders relevant, da sie eine strenge 50%-Regel anwenden: Unternehmen, die zu mindestens 50% direkt oder indirekt von sanktionierten Personen kontrolliert werden, gelten ebenfalls als sanktioniert. Finanzinstitute in der Schweiz müssen daher nicht nur die nationalen Vorgaben erfüllen, sondern auch sicherstellen, dass sie internationale Regelungen beachten, um die Geschäftsrisiken zu mitigieren.
Bettina Neresheimer: Die Russland-Sanktionen gelten als besonders umfangreich und dynamisch. Was macht sie so komplex?
Mathias Müller: Die Russland-Sanktionen sind in ihrer Dimension und Vielschichtigkeit einzigartig. Sie umfassen Personen, Unternehmen, ganze Wirtschaftssektoren wie Energie und Finanzen, spezifische Güter und Dienstleistungen sowie den Handel mit bestimmten Wertpapieren. Hinzu kommen Massnahmen wie Preisobergrenzen für Öl oder Import- und Exportverbote für Hightech-Produkte.
Für Finanzinstitute bedeutet dies, dass sie nicht nur Transaktionen direkt mit sanktionierten Personen oder Unternehmen unterbinden, sondern auch komplexe Handelsströme und Unternehmensstrukturen analysieren müssen, um potenzielle Verstösse zu erkennen. Die stetigen Anpassungen – etwa neue Sanktionspakete oder Änderungen bestehender Regelungen – erhöhen den Druck auf die Compliance-Abteilungen zusätzlich.
Bettina Neresheimer: Wie beeinflussen Sanktionen das Onboarding und die laufende Überwachung von Kunden?
Mathias Müller: Beim Onboarding von Kunden sind Sanktionsprüfungen ein zentraler Bestandteil. Finanzinstitute müssen prüfen, ob neue Kunden, wirtschaftlich Berechtigte oder andere Involvierte auf Sanktionslisten stehen. Dabei geht es nicht nur um offensichtliche Treffer, sondern auch um Strukturen, in denen sanktionierte Personen möglicherweise indirekten Einfluss haben.
«Kryptowährungen bieten ein hohes Mass an Anonymität und werden daher zunehmend genutzt, um Sanktionen zu umgehen.»
Die laufende Überwachung ist ebenso wichtig, da Sanktionen dynamisch sind und sich Listen häufig ändern. Wenn beispielsweise ein Kunde während einer bestehenden Geschäftsbeziehung auf eine Sanktionsliste gesetzt wird, muss das Institut schnell handeln. Ein entsprechender Monitoring-Prozess und regelmässiger Abgleich mit Sanktionslisten sind daher unverzichtbar.
Bettina Neresheimer: Welche speziellen (Sanktions-) Risiken bestehen für Vermögensverwalter bei der Betreuung von internationalen Kunden, insbesondere aus Hochrisikoregionen?
Mathias Müller: Einerseits muss der Vermögensverwalter sicherstellen, dass Kundenportfolios nicht gegen Sanktionsvorschriften verstossen. Das betrifft insbesondere die Vermeidung von Investitionen in sanktionierte Wertpapiere, Märkte oder Unternehmen. Andererseits birgt die Betreuung internationaler Kunden aus Hochrisikoregionen weitere erhebliche Risiken, insbesondere bei der Feststellung der wirtschaftlich Berechtigten und der Verwaltung komplexer Vermögensstrukturen. Es besteht die Gefahr, unwissentlich Vermögenswerte sanktionierter Personen zu verwalten oder eben indirekt gegen Sanktionen zu verstossen, etwa durch Investitionen in verbotene Wertpapiere. Kunden aus Hochrisikoregionen können zudem politisch exponiert sein (PEP) oder mit geldwäschereirelevanten Aktivitäten in Verbindung stehen. Um diese Risiken zu minimieren, sind umfassende Due-Diligence-Prüfungen, robuste Compliance-Systeme und eine kontinuierliche Überwachung unerlässlich.
Bettina Neresheimer: Wie können Finanzinstitute sicherstellen, dass Sanktionen nicht umgangen werden, beispielsweise durch verschleierte Strukturen oder Kryptowährungen?
Mathias Müller: Die Umgehung von Sanktionen ist ein grosses Problem, insbesondere bei verschachtelten Unternehmensstrukturen oder durch den Einsatz von Virtual Asset Service Providern (VASP), die Transaktionen in Kryptowährungen ermöglichen. Kryptowährungen bieten ein hohes Mass an Anonymität und werden daher zunehmend genutzt, um Sanktionen zu umgehen.
Finanzinstitute müssen daher ihre KYC-Prozesse verstärken, um wirtschaftlich Berechtigte besser zu identifizieren. Verdächtige Muster wie ungewöhnliche Transaktionsvolumina, Zahlungen über Hochrisikoländer oder das Fehlen wirtschaftlicher Substanz sollten ein Alarmsignal sein. Zudem sollte die Überwachung auf Kryptowährungen ausgeweitet werden, um potenzielle Umgehungsversuche frühzeitig zu erkennen.
Bettina Neresheimer: Kannst Du zusammenfassen Mathias, was sollten Finanzinstitute im Hinblick auf die Zukunft der Sanktionsregulierungen beachten?
Mathias Müller: Sanktionen werden auch in Zukunft eine zentrale Rolle in der internationalen Politik spielen und zunehmend komplexer werden. Finanzinstitute sollten darauf vorbereitet sein, dass sich die regulatorischen Anforderungen dynamisch weiterentwickeln, insbesondere durch neue Technologien wie Kryptowährungen, die zusätzliche Risiken schaffen. Effiziente Compliance-Systeme, gezielte Schulungen und ein klarer Fokus auf risikobehaftete Kunden mit internationalen Verbindungen sind essenziell, um Risiken frühzeitig zu erkennen und effektiv zu handeln.